Ein Jahr das alles verändert – Teil 2

Garnelenkutter 1Gerade befindet man sich noch in Berlin und tanzt zu Elektrobeats in bekannten Clubs der Hauptstadt und einige Wochen später steht man auf einem Schiff um für die nächsten vier Monate auf See zu verbringen und Garnelen zu fangen. So ungefähr lief es bei mir. Nach mehr als 20 Stunden Flug, einer regnerischen Woche in Sydney und einigen Tagen intensiven Heimwehs, machte ich mich auf nach Cairns in den Nord-Osten Australiens um Arbeit zu finden. Über zwei Freunde in Deutschland konnte ich sofort in einem „Sharehouse“ im Randgebiet von Cairns unterkommen. Ein eigenes sauberes Zimmer mit Kühlschrank. Der Traum eines jeden Backpackers. Nicht zu erwähnen das gute Wetter – es war Juni und somit angenehm warm. Die Landschaft rund um Cairns ist atemberaubend und es gibt unendlich viele Möglichkeiten um etwas zu erleben. Von Waterrafting bis hin zu Fallschirmspringen konnte ich mich relativ gut ausleben.

Die Arbeitssuche ging jedoch etwas schleppend voran. Ich schickte mehrere Bewerbungen an die unterschiedlichsten Unternehmen und folgte einen Kurs um meine Alkohol-Lizenz zu bekommen, um somit in einer Bar arbeiten zu dürfen. Die Zeit verging ohne zufriedenstellende Resultate.

Das Licht am Ende des Tunnels
Der Kurs für die Alkohol-Lizenz wurde von einer Job-Agentur geregelt. Es war an einem Mittwochnachmittag. Wie fast immer schien die Sonne und es war heiß. Ich war gerade auf dem Weg vom Strand zurück zum Sharehaus und überlegte mir spontan, bei der Agentur vorbeizuschauen und meine Lizenz abzuholen. Der Zufall wollte es, dass die Mitarbeiterin gerade mit dem Chef eines Fischerei-Unternehmens telefoniert hatte, der kurzfristig eine Köchin für sein Boot brauchte.

Drei Tage später stachen wir mit einem 24 Meter langem Garnelenkutter und einer Bemann(frau)ung von fünf Leuten in See, genauer gesagt in den „Gulf of Carpentaria“. Die Charaktere konnten unterschiedlicher nicht sein. Ein 50 jähriger, etwas verrückter aber unheimlich freundlicher Kapitän, zwei Deckarbeiter mit ausgeprägter Erfahrung aber leichten Stimmungsschwankungen, ein Wissenschaftler, der die Fänge analysieren kann und ich. Ich hatte natürlich keine Ahnung worauf ich mich einlasse. Ich wusste, dass ich kochen sollte und etwas sauber machen, aber ansonsten war ich naiv wie ein frisch geborenes Känguru.

Auf hoher See gibt es kein zurück
Wir mussten zunächst erst einmal fünf Tage lang mit dem Kutter fahren um in das Gebiet – in dem sich vor allem die Riesengarnelen aufhalten würden – zu gelangen. Nach ein paar Tagen wurde mir bewusst, dass wesentlich mehr von mir erwartet wurde als Kochen und Putzen. Hier ein(e) typische(r) Arbeitstag/nacht:

18.00 Uhr
Der Wecker klingelt. Es ist Zeit um aufzustehen und das Abendessen vorzubereiten. Normalerweise gibt es gekochte Kartoffeln und Gemüse sowie Fleisch oder Fisch. „Ausgefallene“ deutsche Gerichte wie Kohlrollladen und Auflauf waren weniger beliebt, wie ich schnell feststellen musste.

19.00 Uhr
Die Netze wurden von meinen Kollegen Robert und Chris ins Wasser gelassen. Unser Kapitän Lester hat unser Schiff auf Kurs gebracht und es ist Zeit für uns alle gemeinsam zu Essen.

21.30 Uhr
Der erste Fang wird eingeholt. Der Inhalt der zwei großen Netze wird in einen großen Bottich gelassen. Ich springe normalerweise in den Bottich um kleinere Haie und Seeschlangen zurück ins Meer zu befördern. Geschwindigkeit ist hier das A und O. Ein Laufband transportiert den restlichen Inhalt zurück ins Meer. Chris, Robert und ich stehen am Laufband um die Garnelen rauszusuchen und in Körbe zu werfen. Ich stelle schnell fest, dass Riesengarnelen sehr schmerzhaft sein können. An ihren Köpfen befinden sich Stachel, die sich gerne mal in die Finger bohren.

Nachdem die Garnelen ihren Weg in die Körbe gefunden haben, werden sie nach Größe sortiert. Das dauert am Anfang etwas länger. Aber nach ein paar Wochen hat man den Dreh raus. Ein gutes Augenmaß ist hier wichtig. Nach dem Sortieren werden die Garnelen per 15 Kilogramm in Kartons verpackt und in den Tiefkühlraum verstaut.

23.00 Uhr
Zwischen den Fängen kann man seine Zeit eigentlich verbringen wie man möchte. Filme schauen (ungefähr 200 DVD standen zur Auswahl), lesen, schlafen oder essen. Letzteres ist übrigens weniger zu empfehlen. Trotz der körperlich anstrengenden Arbeit, hatte ich in den vier Monaten auf See fünf Kilo zugenommen.

01.00 Uhr
Der zweite Fang wird eingeholt. Die Fänge und Pausen zwischendurch laufen meistens relativ gleich und strukturiert ab. Manchmal geht etwas kaputt und muss repariert werden. Die Netze klemmen oder es ist etwas stürmisch. Grundsätzlich wird aber irgendwie alles zur Routine.

Je schneller wir den Fang verarbeitet haben, alles im Tiefkühlraum und sauber ist, desto schneller können wir unsere Freizeit genießen.

04.30 Uhr
Der dritte Fang läuft ähnlich ab, wie die ersten zwei. Allerdings fühlt er sich am schwierigsten an. Man will einfach nur ins Bett und schlafen. Die Nächte auf dem Boot sind doch etwas frisch, ständig wird man überall nass. Die Wellen schaukeln das Boot und helfen auch nicht unbedingt dabei, sein Gleichgewicht zu halten. Die ersten zwei Wochen waren am Härtesten. Glücklicherweise hatte die Crew genug Geduld um mir über die ersten schweren Nächte hinwegzuhelfen. Nach ein paar Wochen fühlt sich dann alles natürlich an. Man wusste seine Aufgaben und hatte seinen Platz in der Crew.

7.30 Uhr
Der lang ersehnte letzte Fang. Zu diesem Zeitpunkt war die Sonne bereits aufgegangen. Oftmals konnte man Delfine sehen, die sich um das Boot tummelten und manchmal durch die Luft sprangen. Irgendwie fühlte sich zu diesem Zeitpunkt die Welt äußerst in Ordnung an. Meistens ging dieser Fang auch schneller als die anderen, da sich in den frühen Morgenstunden weniger Garnelen im Netz befanden.

9.00 Uhr
Zeit um zu Frühstücken. Meistens wurde der Morgen ausgebreitet mit einem echten australischen Frühstück begonnen/beendet: Gebratene Eier, Speck, Würstchen und Beaked Beans. Natürlich Wheat Bix (die leckersten Zerealien die ich jemals im meinem Leben gegessen habe) und allerlei andere schmackhafte Dinge. Normalerweise unterhielt Lester uns während des Frühstücks mit lustigen Geschichten und Späßen. Wie es sich für einen richtigen Australier gehört, war das Wort „F***“ ausgeprägt in seinem Wortschatz enthalten. Am Beginn unserer Reise war mein Englisch weniger gut, weshalb ich meistens nur dieses eine Wort verstand, welches in einem normalen Satz bis zu fünf Mal vorkommen konnte.

10.00 Uhr
Nach dem gemeinsamen Frühstück, wurde zusammen sauber gemacht oder Dinge repariert. Ich war für alles im Boot verantwortlich. Die Jungs kümmerten sich um das Deck. Das Boot selber war hervorragend ausgestattet. Wir hatten eine voll funktionstüchtige Küche mit fließend Wasser, einem Herd und Ofen sowie einer Mikrowelle und einem großen Kühlraum. Das Badezimmer war sicherlich nicht luxuriös, hatte aber alles von einer Toilette, bis hin zur Dusche und einem Waschbecken mit Spiegel. Da ich das einzige weibliche Crewmitglied war, hatte ich meine eigene kleine Kajüte mit Doppelstockbett und einem Schränkchen.

Ansonsten fehlte uns an nichts. Alle zwei Wochen fuhren wir zu einem riesigen Containerschiff bei dem wir unsere Garnelen ablieferten und frisches Essen und allerlei andere Dinge – die wir bestellt hatten – abzuholen. Bei mir war das meistens Schokolade :).

11.00 Uhr
Meistens waren wir zwischen 11 und 12 Uhr mit all unserer Arbeit fertig. Ich habe mich oftmals noch in die Sonne gelegt. Die Arbeit in der Nacht, sorgt ziemlich schnell dafür, dass man unter Vitamin D – Mangel leidet. Ein kurzes Sonnenbad hilft da Wunder. Und es gibt nichts Schöneres als fernab von jeglicher Zivilisation, mitten auf dem Ozean ein Sonnenbad zu nehmen. Umhüllt vom blauen Meer und strahlend blauem Himmel und dem Geruch von Salz in der Nase, kann man alle Sorgen vergessen.

12.00 Uhr
Zeit um endlich schlafen zu gehen.

Natürlich war das Leben auf dem Garnelenkutter nicht immer „Friede, Freude, Eierkuchen“. Schließlich hat man es mit fünf individuellen Menschen zu tun, die für vier Monate auf wenigen Quadratmeter zusammen leben. Dazu aber mehr in meinem folgenden Bericht.

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© Fotos: Nicole Öhlmann

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